Was Juristen von Baden lernten - -Rechtshistorisches Museum in Karlsruhe lockt auch hohe Richter

Veröffentlicht von Badische Neueste Nachrichten am .

Von unserem Mitarbeiter Stefan Jehle

Seit 1950 hat der Bundesgerichtshof (BGH) seinen Sitz in Karlsruhe – das höchste deutsche Gericht „der ordentlichen Gerichtsbarkeit“ und letzte Instanz bei Zivil- und Strafrechtsverfahren. Hauptgebäude ist das Erbgroßherzogliche Palais, einst Wohnsitz des badischen Thronfolgers.

Das erst 1984 zunächst in eigenen Räumen eröffnete Rechtshistorische Museum ist inzwischen fester Bestandteil. Es liegt direkt neben Foyer und Lesesaal der zentralen Bibliothek im 2003 eröffneten Erweiterungsbau des BGH im Erdgeschoss.
Die eher kleine Ausstellung bietet bemerkenswerte Exponate, die schon manchen hohen Richter an BGH oder Bundesverfassungsgericht beim Schloss anlockten. Mitten im Raum steht ein mannshoher Obelisk. Der Steinpfeiler ist eine Nachbildung der Diorit-Säule im Pariser Louvre und erinnert an den Codex Hammurabi um 1700 vor Christus. Die Textstele im alten Babylon verzeichnet rund 8 000 Worte und gilt als „ältestes Gesetz der Menschheit“. Die Stele versinnbildlicht für Detlev Fischer den Aufbruch in eine „verbindliche Rechtsordnung“. Fischer, bis 2015 BGH-Richter, ist seit 2005 ehrenamtlicher Leiter der Einrichtung.
Vom napoleonischen „Code Civil“, Vorläufer des Bürgerlichen Gesetzbuches, über die erste eigene Verfassung eines Landes auf deutschem Boden, 1818 vom badischen Großherzog erlassen, war es ein weiter Weg, sagt Fischer. Deutschland verdanke Baden viel bei der Entwicklung zur Rechtsstaatlichkeit. Da 1863 in Karlsruhe das erste deutsche Verwaltungsgericht eingerichtet wurde, sieht es der Leiter des Museums als folgerichtig an, dass man in Karlsruhe 1950 den BGH und 1951 das Bundesverfassungsgericht einrichtete – in der heutigen „Residenz des Rechts“.
Wer glaubt, Fischer sei ein trockener Rechtsgelehrter, täuscht sich. Er weiß spannende Anekdoten zu erzählen, erläutert das Sprichwort „Das geht auf keine Kuhhaut“ und zeigt die „Gerichtslaube“ in der alten Ratsstube im Untergeschoss, wo ab Mitte des 16. Jahrhundert Gericht gehalten wurde.
Mitten im Ausstellungsraum hängen drei Roben, wie sie heute Richter am Bundesverfassungsgericht, an Amts- und Landgerichten sowie am BGH im Gerichtssaal tragen. Auch Lebenserinnerungen bedeutender Juristen sammelt der Museumsleiter. Einiges hat der einstige Bundesrichter Fischer selbst recherchiert. Im Gefängnisbau des Amtsgerichts in Durlach etwa saß während der Spiegel-Affäre 1962 zu Vernehmungen auch Untersuchungshäftling Rudolf Augstein ein – und ließ sich das Essen vom Ettlinger Sternelokal „Erbprinz“ kommen.
Die Geschichte des Rechts in Deutschland hat bei Fischer einen deutlich wahrnehmbaren „badischen Zungenschlag“. Ausgerechnet die Volksabstimmung vom Dezember 1951 über die Fusion von Baden und Württemberg war erster Verhandlungsgegenstand der Richter am neu gebildeten Bundesverfassungsgericht und wurde bei Stimmenpatt abgelehnt, erzählt der Jurist. Die Volksabstimmung fand bekanntlich statt und wurde später ein zweites Mal wiederholt.
Geöffnet ist das Museum, Herrenstraße 45a, dienstags (außer an Feiertagen) von 10 und 12 Uhr und nach Vereinbarung unter Telefon (07 21) 1 59 50 31.

Quelle: Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | KARLSRUHE | 28.11.2016